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Wissen schafft auch Leid[en]. Das nur zur Komplettierung und als Hintergrund für das Fragezeichen.

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Donnerstag, 24. September 2015

Vom Frosch, der ganz ergriffen ist

Titel: Ein Gast-Kommentar

In der Neue Zürcher Zeitung (NZZ) erschien heute - 24. Serptember 2015 - ein Kommentar zur aktuellen Menschenrechts-Situation in Deutschland

http://www.nzz.ch/meinung/kommentare/das-gute-fuehlen-1.18618580

Überschrift: Die deutsche «Willkommenskultur» für Flüchtlinge:  Das gute Fühlen

Untertitel: Kritikern ist die «Willkommenskultur», mit der sich Deutschland Flüchtlingen öffnet, viel zu emotional. Sie vermissen realpolitischen Verstand. Aber demokratische Kultur kann ohne Gefühl nicht sein. 

Ein NZZ-Kommentar von Joachim Güntner

Hartherzigkeit ist ein Übel, Gutherzigkeit etwas sehr Schönes. Den Satz darf man stehenlassen. Er deckt sich mit unserem moralischen Empfinden. So hat auch der mitfühlende Empfang, den deutsche Bürger in den letzten Wochen den Scharen eintreffender Flüchtlinge vielerorts bereitet haben, Sogwirkung entfaltet, die Zahl der Engagierten vermehrt und Zuschauer mitgerissen. Güte und Grosszügigkeit rühren uns gerade dann, wenn sie heftiger ausfallen als erwartet. So hilfsbereit können Bürger gegenüber Fremden sein? Mit einer derartigen Woge zivilen Engagements war nicht zu rechnen. Es ist die Differenz zwischen Erwartung und Erfüllung, welche die Gemüter in so hohem Masse bewegte und Kommentatoren, eben weil sie ergriffen sind, von «ergreifenden Szenen» sprechen liess.

Wie ein Hippie-Staat?

Wer schon wollte etwas einwenden gegen die Versorgung der Ankommenden mit Speis und Trank, Kleidungsstücken und Kinderspielzeug? Sicher, zum Teil stecken Momente einer narzisstischen Selbstfeier darin. Es mutet schräg an, wenn ältere Damen junge syrische Männer huldvoll tätscheln, wenn das Küsschen auf die Wange des Fremden im Selfie verewigt wird, wenn die der Lebensgefahr Entronnenen mit Applaus empfangen werden. Aber geschenkt.

Erich Kästner hatte recht: Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es. Und hier wurde ja gehandelt. Passives sentimentalisches Mitleid war in aktives Mitgefühl umgeschlagen. Da durfte sich die deutsche Zivilgesellschaft ruhig überschwänglich selber feiern, bald unterstützt von Angela Merkel, die, mit der Nase im Wind, dem Ausblick auf Hunderttausende weiterer Flüchtlinge den Schrecken zu nehmen suchte: «Wir schaffen das, und wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden.» Mögen die über Austeritätspolitik erbosten Griechen der Kanzlerin auch Hitler-Bärtchen anmalen – dem Rest der Welt erschien Angela Merkel endlich so, wie sie sich gegenüber ihren Wählern zu Hause gerne gibt: mütterlich. Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen durch die deutsche Regierung schon bald darauf zeigte allerdings, dass die Dinge doch nicht ganz so einfach liegen.

«Willkommenskultur» ist das Wort des Spätsommers – auch international. Deutschland macht einen Schritt mehr aus dem Schatten seiner braunen Vergangenheit heraus, präsentiert sich als Inbegriff eines humanen Gastlandes – diesen weit ausstrahlenden Zugewinn an moralischer Autorität möchte die «Flüchtlingskanzlerin» («Der Spiegel») nicht preisgeben. Im englischen Sprachraum hat der Begriff «Willkommenskultur» gute Chancen, sich neben «Blitzkrieg» und «Kindergarten» als Lehnwort zu etablieren. Die Briten praktizieren indes eine härtere Asylpolitik, und dem englischen Politologen Anthony Glees, einem Kenner kontinentaleuropäischer Verhältnisse, fiel zur neudeutschen Empathie-Bewegung ein, Deutschland verhalte sich wie ein «Hippie-State being lead by its emotions». So wäre denn die Willkommenskultur bloss ausgeflippte Gefühlsduselei?

Es hiesse Gefühle unterschätzen, nähme man ihre Bedeutung für Denken und Handeln nicht ernst. In der Politik sind sie verrufen, da Emotionen formbar sind, als Erregungen den Verstand ausser Kraft setzen können und darum immer wieder gezügelt werden müssen, um nicht als Kraftstoff demagogischer Stimmungsmache zu dienen. Wie Hitler die deutschen Massen aufputschte, ist unvergessen. Doch daraus zu folgern, eine demokratische Kultur müsse möglichst affektfrei sein, wäre irrig. Keine politische Kultur kann ohne Affekte sein, da Emotionen nicht etwa bloss Brandbeschleuniger sind, die zu Denken und Handeln als etwas Äusserliches hinzutreten, sondern weil alle Kognition und Praxis emotional gestimmt ist. Das gilt sogar für die scheinbar nüchterne wissenschaftliche Neugier.

Die Willkommenskultur und ihr Gegenteil, die Fremdenfeindlichkeit, sind keine Meinungen, sondern Leidenschaften. Der Überschwang, mit dem sie geäussert werden, ist nicht aufgesetzt. Vielmehr kommt darin eine genuine Befindlichkeit zum Ausdruck, und die schafft dann solche Situationen, wie sie in Deutschland zurzeit zu erleben sind: hier das enthusiastische Willkommen auf Bahnhöfen wie in München, dort die aggressive Abwehr wie im sächsischen Heidenau, wo Rechtsextreme wiederholt vor Notunterkünften randalierten.

Um Austreibung der Affekte kann es nicht gehen

Man wird der demokratischen Kultur also nicht ihre Affekte austreiben, sondern nach solchen Gefühlen suchen müssen, die als spezifisch demokratische zu pflegen wären. Die Passion für offene Diskussionen wäre zum Beispiel ein solcher Affekt. Demokratisch nennen wir jene Lust an der freien Rede, die bei allem Elan fair bleibt und den Gegner achtet. Für unsere Überlegungen zum Ineinander von Ratio und Emotion ist das Beispiel doppelt aufschlussreich. Zum einen sieht man leicht: Je lebendiger die Debatte, desto mehr tritt hervor, dass der Austausch der Argumente nicht nur Ansichten und Kenntnisse ins Spiel bringt, sondern dass die rationalen Aspekte emotional gefärbt sind. Zum anderen zeigt sich an der Passion für demokratische Wortgefechte, wie die Emotionalität – der Elan – mit Wertvorstellungen – man soll fair bleiben – verschmolzen ist. Keine Wertsetzung, keine gelebte Tugend ist ohne Affekt. Auch das Zur-Ruhe-Kommen zweier Streithähne im Disput, die Versachlichung einer Kontroverse, reduziert nicht einfach Gefühle, sondern verwandelt eine emotionale Gestimmtheit in eine andere.

Für welche Wandlung steht die Willkommenskultur? Vor allem für ein Mehr an tätigem Mitgefühl. Und lässt sich Mitgefühl zu jenen spezifischen Emotionen rechnen, welche die demokratische Kultur grundieren? Neben der Liebe zur Freiheit, dem Sinn für Gerechtigkeit, politische Gleichheit, bürgerliche Verantwortung und Mässigung gehört die Teilnahme an Schicksalen anderer gewiss zum demokratischen Affekthaushalt der Moderne. Im Willkommen für die Flüchtlinge schimmern freilich weitere Traditionen durch: das christliche Lob der Nächstenliebe sowie dessen säkularisierte Form, der Aufruf zu Brüderlichkeit. Grenzüberschreitende Brüderlichkeit beschworen auch Politiker wie der deutsche Reichskanzler Gustav Bauer, als sie nach dem Ersten Weltkrieg für den Völkerbund warben und sich von dessen Existenz nicht nur eine Stabilisierung des Friedens, sondern überdies eine positive Rückwirkung auf die Demokratie im eigenen Land erhofften.
Jahrhunderte bevor Gustave Le Bon seine Untersuchungen zur Massenpsychologie vorlegte, notierte der Philosoph Spinoza: «Wenn eine Menge natürlicherweise übereinstimmt und meint, von gleichsam einem Geist geleitet zu werden, dann nicht deshalb, weil sie von der Vernunft, sondern weil sie von irgendeinem Affekt geleitet wird.» Diese Folie liesse sich durchaus der viele Menschen ansteckenden Willkommenskultur unterlegen. Nur greifen dann allzu schnell die eingefahrenen Reflexe skeptischen Denkens gegenüber der Verführbarkeit der Massen. Oder man macht es sich mit dem Hohn über «Gutmenschen» und «Gesinnungsethik» bequem.

Aber streichen wir doch für einmal die rationalistische Verachtung der Affekte und nehmen die Sache positiv: Zu beobachten ist das Aufblühen weicher Gefühle. Das hat viel mit den Bildern von Tod, Not und Elend zu tun, die uns treffen, einmal, weil sie schrecklich sind (das indes waren Bilder von Krieg und Hunger früher schon), dann aber auch, weil ihre mediale Verbreitung so einfach geworden ist und so umfassend. Zudem sorgt das Internet dafür, dass wir aus der alten Rolle stummer Zuschauer heraustreten und unsere Betroffenheit kommunizieren können. Wir sind, als Vernetzte, ganz anders einbezogen, es fällt viel leichter, zum emotionalen Aktivisten zu werden. Der nun mögliche Austausch gibt dem Fühlen Kontur und Fülle. Doch reicht der technologische Wandel, um zu erklären, warum sich so viele Menschen von Empathie anstecken, von den Nöten Fremder anrühren lassen?
Vermutlich nicht. Es dürfte auch damit zu tun haben, dass der Entfaltung der Willkommenskultur eine lange Erziehung des Gefühls vorausliegt. Wir sind als Einwanderungsgesellschaften weltoffener geworden, hegen als Demokratiegewohnte höhere Begriffe vom Eigenwert der Individuen. Leidvermeidung hat als Imperativ das Lob der Fähigkeit, Härten zu erdulden, abgelöst. Immer weniger Bürger können es noch ertragen, dass Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, gerettet werden könnten, aber vor Europas Grenzen zugrunde gehen. Auch in der Schweiz wächst die Zahl der Initiativen für Migrantenhilfe.

Ausblendungen

Um bei Deutschland, dem auffälligsten Exempel, zu bleiben: Die Willkommenskultur blendet einiges aus, was sie als naiv erscheinen lässt. Sie fragt nicht danach, wo die Grenzen der Belastbarkeit liegen, stellt sich nicht den Problemen der Verteilungsgerechtigkeit (es werden schwerlich die Happy Few, sondern die Sozialhilfeempfänger sein, welche die Etats der staatlichen Wohlfahrt mit Einwanderern teilen müssen); sie überträgt das Ideal der Gastfreundschaft auf die dauerhafte Unterbringung von Fremden (Migranten sind aber keine Gäste auf Besuch), und sie tut gern so, als sei jedes Opfer von Autoritarismus, Fundamentalismus und Bigotterie der natürliche Gefährte liberaler Bürger – was unterschlägt, wie weit viele Flüchtlinge von unserem Wertekanon entfernt sind.

Doch die Moralität des Willkommens überzeugt. Es gibt zu viel Geiz, Besitzstandswahrung, Ignoranz, Wegsehen, Verhärtung in der Welt. Dem Kleinmut durch aktive Mitmenschlichkeit ein Ende zu bereiten, ist aller Ehren wert.

Ende NZZ-Kommentar von Joachim Güntner
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Titel: Was ist sie und wovon geht sie aus, die "Verbesserung"

Eine Überschrift in fb zu einem Labor-Bericht lautete: "Den Menschen verbessern wollen Sie alle.

Meine Logik zeigt *mir, dass ein-Es nur etwas verbessern kann, was ein-Es ganz kennt und versteht. Ist das nicht der Fall, ist es blosses rumprobieren, rumschrauben, mal abwarten, was daraus wird? Und eine wohl unbestrittene Tatsache ist die, dass das Mensch das Mensch kaum kennt. Wir sammeln weltweit gerade mal noch stimmige Daten, um zu wissen, was wir sind, wo wir sind, wer wir sind, wozu wir sind, was wir zu leisten imstande sind, womit wir verbunden sind, von was wir bestimmt und mit-bestimmt sind und so etliches an Daten, die uns und unser Entstehen und unser Verhalten betreffen mehr.

Nichts von diesen Fragen ist auch nur annähernd geklärt.

Die Auswirkungen dieses UnWissens von uns und dem worin wir eingebunden sind, sind alltäglich Planetenweit zu beobachten, sie sind teils katastrophal und vernichtend. Sowohl für uns, als auch für die Mit-LebeWesen. Wir wissen einiges und haben inzwischen auch einige eindrucksvolle (für Wen?) Techniken entwickelt, aber wirkliches fundiertes Wissen fehlt uns noch komplett. Und ausgehend von diesem fehlenden Wissen und Grundwissen, glauben (!Glauben!) einige Menschen schon, sie könnten den Menschen "verbessern".

Statt also den aktuellen WissensStand passend einzuordnen und auch das eigene Können richtig zu bewerten, müssen einige Menschen unbedingt Frankenstein spielen. Immer wieder aufs neue, der Wahn der Selbst-Überschätzung und der rück- und umsichts-losen Arroganz. Das Mensch, das daSein insgesamt und darin alle LebeWesen, sind jedoch kein Spielzeug für Überflieger und Nicht-Wisser, wobei dieses "Nicht" jeweils wenig ist. Was wir Menschen durch blosses Glauben, und glauben zu wissen, in und um diesen Planeten anrichten, ist erschreckend. Das scheint jedoch k[aum]einen Menschen daran zu hindern noch weiter und mehr rumzustümpern, auch in und an uns.
Es gibt scheints nirgendwo einen Menschen oder auch eine andere Stimme, die uns zur Musse und zum Einhalt mahnt, die / das verlangt, dass wir erst mal einen sicheren Stand der Erkenntnis und des Selbst brauchen, bevor wir tiefer und weitreichender in und um uns eingreifen und verändern.

Da das nie der Fall war und auch im Moment nicht der Fall ist, kann meine Erkenntnis nur sein, dass dieses DaSein, in dem auch wir erdmondlichen LebeWesen daSind, ein VersuchsLabor ist, ohne gesicherte Grund-Erkenntnisse und ohne vordefiniertes Ziel. Die Evolution ist ein Stümper-Prozess, wir sind das Ergebniss blossen herumstümperns. Wenn das so ist, na dann gute Nacht, aber dann ist auch diese Stümperei am Selbst als Mensch eben nur normal, und das DaSein fodert: Weiter so.
Na super! Wieviele LebeWesen müssen wohl noch sterben, bis diese dumme Stümperei endlich vorbei ist? :-( Das Mensch zu "verbessern", ohne überhaupt einen sicheren aktuellen Entwicklungs-Stand zu kennen, ist wirklich nur fahrlässig. Das ist ein hohles Verlangen und ein gefährliches Geschwätz.
Aber gut, es ist normal.

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