Poesie
Titel: Was ist das DaSein?
Ein Spiel?
Mit Spielenden, die alle Mitspielenden "über den Tisch ziehen" wollen, alle Anderen übervorteilen müssen, weil es im DaSein nur um den persönlichen Vorteil geht?
So lautet eine Selbst-Einschätzung, von Menschen, die seit den 1920er Jahren in fast all unser Handeln miteinander, besser wohl im gemeinsamen gegeneinander, Einzug gehalten, oder auch verstärkt / bestärkt wurde. Denn dass Wir misstrauisch (unwissend) und stets latent aggressiv sind, ist natürliche Grund-Ausstattung.
Und diese Selbst-Einschätzung, dass Wir rücksichtslose Spielfiguren sind, prägen Wir damit auch in unsere Infrastruktur, zum Beispiel in das Internetz ein. Fast alle Software / Apps und dessen Algorithmen sind auf diese misstrauische und das DaSein fast komplett entwertende Selbst-Einschätzung hin programmiert und optimiert.
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Vor allem die beiden letzten Absätz sind bewegend und *mich zum vollkommenen Zustimmung reizend.
https://www.zeit.de/kultur/2023-03/ernst-tugendhat-philosophie-nachruf/komplettansicht
Auszug:
Das Idealbild einer gerechten Gesellschaft
Tugendhat ließ nicht locker; skrupulös und mit ungemeinem Scharfsinn prüfte er die gängigen Moralphilosophien auf ihre Konsistenz und Stichhaltigkeit. Das Resultat war ernüchternd. Die konservative Ethik des ehemaligen Marxisten Alsdair MacIntyre kam ihm hilflos vor, an der Münsteraner Ritter-Schule ("platter Optimismus") störte ihn der funktionalistische Grundzug – in Wahrheit glaube sie gar nicht an eine höhere Autorität, sie glaube bloß an den Nutzen des Autoritären. Auch Immanuel Kants "Faktum der Vernunft" bot für Tugendhat kein Fundament, auf den man moralische Regeln begründungsfest bauen konnte, schließlich sei die Vernunft ihrerseits begründungsbedürftig. Mit diesem Argument war auch die Diskursethik von Habermas und Apel aus dem Rennen. In Tugendhats Augen ist sie in einem Zirkelschluss befangen, weil sie die brückenschlagende diskursive Vernunft, die aus einer idealen Sprechsituation entstehen soll, insgeheim immer schon voraussetzen müsse.
Gänzlich unbefriedigend erschien Tugendhat die liberale Vertragstheorie, die seit John Locke im Umlauf ist und mit der so manche kapitalistische Schweinerei gerechtfertigt wurde. Vertragstheorien erschienen ihm buchstäblich amoralisch; sie verzichteten auf ein "Konzept des Guten" und setzten auf rein instrumentelle Regeleinhaltung. Doch warum solle man sich an einen Vertrag halten? Aus moralischen Gründen? Nein, weil man eigennützig darauf kalkuliert, der Vertragspartner werde sich ebenfalls dran halten – so wie die Mitglieder einer Räuberbande es auch tun. Von wahrhaft moralischem Verhalten konnte für Tugendhat nur dann die Rede sein, wenn das Handeln des Einzelnen eine innere Dimension und Wahrheitsorientierung besitzt, kurz: Wenn jemand auf eigenes Fehlverhalten mit moralischen Gefühlen reagiert, mit Scham, Schuld und "inneren Sanktionen".
Trotz aller Begründungsprobleme stand Tugendhat immer das Idealbild einer gerechten Gesellschaft vor Augen. Deren Bürger sollten sich als Mitglieder einer moralischen Gemeinschaft verstehen und nicht nur wie im marktförmigen Liberalismus als egozentrische Privatrechtssubjekte, die im Eiswasser ihrer kühl berechneten Interessen gleichgültig aneinander vorübergleiten wie Schiffe in der Nacht. Natürlich wusste Tugendhat: Moral ist kein Ersatz für gerechte Politik. In einer "Gesellschaft der universellen moralischen Achtung" müsse auch das Recht auf Eigentum eingeschränkt werden, und zwar genau in dem Maße, wie es die Rechte der übrigen Bürger verletzt. Nicht die Gleichheit, schrieb Tugendhat zum Ärger der Marktliberalen, sei begründungspflichtig, sondern die Ungleichheit: "Gerechtigkeit ist dasjenige, was übrig bleibt, wenn alle weiteren Gesichtspunkte, die eine Ungleichheit begründen können, entfallen."
Auszug Ende
Und nun Frank Schirrmacher aus:
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